Blog September

Die gedopte Gesellschaft – der ausgebeutete Körper


Die Wartezimmer der Physiotherapeuten sind voll von Gestrandeten, Burnout ist in aller Munde und die Gesellschaft dreht beim „Faktor Arbeit“ fleißig weiter an der Leistungsspirale: der Griff zu bitteren Pillen und „Muntermachern“ nimmt zwar nicht den Belastungsstress am Arbeitsplatz, lässt uns aber durchhalten. „Überstehen ist alles“, lautet die Devise, unter der Körper, Geist und Seele oftmals auf der Strecke bleiben.

Unbedingte Leistung, koste es, was es wolle. So oder so ähnlich wird das Leben der meisten von uns acht bis zehn Stunden täglich aussehen. Damit die Wirtschaft wächst, die Steuereinnahmen sprudeln und die Politik auch weiterhin Deutschland als „Motor Europas“ verkaufen kann, werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunehmen in die Tretmühle gedrängt. Dabei ist Belastungsstress keinesfalls nur etwas, was sich am Arbeitsplatz bemerkbar macht. Denn bereits in der Schule wird unser Nachwuchs auf Leistung getrimmt – G8 lässt grüßen.

Einmal in der Tretmühle gefangen, scheinen Aufputschmittel, Muntermacher und Stimulanzien aller Art das probate Mittel zu sein, um dem hohen Stresspegel zu entgegnen. Bereits in der Uni gilt Amphetamin in gewissen Studiengängen als hilfreich, um die stressigen Prüfungsphasen durchzustehen. Einmal im Job angelangt, wird dann gekokst, was die Nase hergibt – schließlich fordert die Karriere Überstunden, Nachtschichten, durchgearbeitete Wochenenden. Wer nicht den Gang in die Illegalität gehen will, kennt sicherlich den einen Psychologen in der Nähe, der häufig und gerne legale Stimulanzien verschreibt.

Der Preis ist hoch

Die meisten Muntermacher greifen direkt in das Zusammenspiel der menschlichen Hormone ein. Amphetamine oder Kokain sorgen für eine vermehrte Ausschüttung von Serotonin und Adrenalin – und versetzen den Körper so in Euphorie und gesteigerte Leistungsbereitschaft. Das Problem dabei: Nach dem „Hoch“ folgt zwangsläufig ein „Tief“, denn irgendwann sind die körpereigenen Hormonspeicher leer. Jetzt muss entweder nachgelegt oder eine Depression in Kauf genommen werden. Dieser Wirkmechanismus ist nicht nur auf illegale Substanzen beschränkt, denn auch Stimulanzien auf Rezept folgen ähnlichen Wirkmechanismen.

Ausgebrannt und leer

Eines ist klar: Auf Dauer lassen sich die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit nicht beliebig entgrenzen. Auch nicht mit Substanzen aller Art. Irgendwann folgt zwangsläufig eine Phase, in der der Körper sein Recht auf Ruhe einfordert. Burnout ist ein Syndrom aus psychischen und körperlichen Reaktionsmustern, deren Anzeichen sich schleichend bemerkbar machen. Gedoped machen wir schließlich mobil bis zum „Infarkt“.

Auf den Körper „hören“ – das Grundanliegen einer ganzheitlichen Physiotherapie

Die Ausbeutung eigener Ressourcen gehört zentral zu einer Leistungsgesellschaft, die ein falsch verstandenes Arbeitsethos über die Gesundheit jedes Einzelnen stellt. Wir machen uns bloß noch fit, damit wir im Beruf die Leistung erbringen, die man von uns abfragt. Von der Medizin erwartet man nach einem Absturz bloß noch Reparaturleistungen zur Wiedereingliederung. Hier gilt es, wieder ein Bewusstsein für die eigenen Wurzeln zurückzugewinnen, den Zusammenhang von Körper und Psyche, letztlich sich selbst als ganze Persönlichkeit wieder ernst zu nehmen. Dieses Grundanliegen gehört wesentlich zu dem Konzept einer ganzheitlichen Physiotherapie wie wir sie verstehen.